Salut, la Gare culture
Folgendes habe ich im Frühjahr 2013 in Frankreich erlebt:
In Eile, wie die meisten Reisenden, betrete ich den Bahnhof von
Strasbourg und halte auf einmal inne. In der Ferne nehme ich die süßen
Klänge eines französischen Kinderliedes wahr, was kann dies nur sein?
Wird in den französischen Bahnhöfen Musik abgespielt?
Welch Überraschung! Man hat einfach ein Klavier mit der Aufschrift "Für
Sie zum Spielen bereit" in eine Ecke des Bahnhofs gestellt...
Ich wundere mich - Huch? Anhalten und einmal genauer inspizieren. In meiner einstündigen
Umsteigezeit wollte ich eigentlich das Flair am Bahnsteig, die ankommenden TGV, genießen. Jedoch was ich
dort am Klavier erleben durfte, war mir viel zu großartig und eindrucksvoll. Die TGV waren schnell vergessen :)
An dem aufgestelltem Piano treffen sich willkürlich und rein zufällig Menschen jeder Nation - Reisende
die sich bisher noch nicht kannten, um (wie von der ANCF
gewünscht) ganz spontan zusammen zu musizieren. Mal alleine und mal
vierhändig sitzen die Fahrgäste am Klavier und vertreiben sich mit
Konzerten für Jedermann die Umsteigezeit. Es ist interessant das Geschehen zu beobachten, mal hören zehn Menschen, mal
hört der gesamte Bahnhof mit - je nachdem wer welches Lied anstimmt. Selbst zum Takt tanzen war möglich
Musikstudenten, Väter mit ihren Töchtern, Opa auf Heimreise, jede Generation
setzt sich irgendwann mal ran und spielt vor sich hin. Der eine
introvertiert für sich selbst, der andere genießt es wie im Rampenlicht, der Broadway ruft und erntet tobenden
Applaus.
Ich war begeistert! Wie einfach man aus einer schäbigen Ecke am Bahnhof mit
einem Klavier einen Treffpunkt für Menschen, eine kulturelle Hochburg
Frankreichs werden lassen kann!
Mal hört man Klassik, mal Jazz oder Rock'n'Roll und gelegentlich
singen die herumstehenden Passanten sogar mit - immer spontan und immer beeindruckend!
Die Klaviere stehen derzeit an allen größeren Bahnhöfen in Frankreich
verteilt. Ich habe sie gleich mehrmals erleben dürfen (Paris, Marseille
und an einigen anderen Orten).
Selbst in London hat man nun eins hingestellt :)
Besonders bemerkenswert ist bei den stundenlangen und kostenlosen
Konzerten, die ich mir in allen Ecken unseres Nachbarlandes anhören
durfte, dass sich niemand dransetzt, der voller Frust und ohne jegliche Begabung
einfach nur auf das Klavier einhämmert. Stets haben sich Menschen an das
Klavier gesetzt, die auch tatsächlich etwas von Musik verstanden
haben. Nicht immer viel, aber ausreichend um das Klavier mit Respekt zu behandeln
Dementsprechend war die Musik immer angenehm, nie nervig oder gar störend. Da die
Bahnhöfe sowieso dem Verkehrslärm ausgesetzt sind, kann man die Musik
auch nur in unmittelbarer Nähe des Klaviers hören. Wer sie nicht mag,
wird auch nicht belästigt!
Eine schöne Idee, hoffentlich wächst sie weiter...